Ein T-Rex namens Sue

von Alexander Bräuer, 11.03.2016.

Zusammenfassung

Sue hält einen Weltrekord: 85%. Sie ist zurzeit auf dem ersten Platz der am besten erhaltenen Exemplare von Tyrannosaurus rex, wobei 85% der Knochen erhalten und gefunden wurden. Sue ist nach ihrer Entdeckerin, Susan Hendrickson, benannt worden und wird derzeit im Field Museum in Chicago ausgestellt. Aber Sue ist mehr als nur eine Sammlung von Knochen. Vor 67 Millionen Jahren war sie ein lebendiges Tier. Nach ihrem Tod wurde sie in Schlamm konserviert und erst 1990 wiedergefunden; anschließend ausgegraben, mit einem Namen versehen, verkauft, vor Gericht verhandelt, untersucht, versteigert und auf verschiedene Weise ausgestellt. Die abenteuerliche Geschichte des Artefaktes Sue bietet einen Einblick in die Konstruktionen der amerikanischen Urzeit der letzten 25 Jahre. Welche Vorstellungen von einer amerikanischen Urzeit beeinflussten den Weg von Sue? Wie konnte eine Sammlung von Knochen für 7.6 Millionen US-Dollar versteigert werden?

Die lebendige Sue

Sues Leben in prähistorischer Zeit ist zum großen Teil ein Geheimnis geblieben. Wir können noch nicht einmal das Geschlecht von Sue bestimmen. Er/Sie hat vermutlich mehr als 6,4 Tonnen gewogen und war mehr als 4 Meter hoch und 13 Meter lang. Die Knochen weisen auf ein Alter von 28 Jahren hin und machen ihn/sie zum ältesten bisher gefundenen Tyrannosaurus rex. Während ihres/seines langen Lebens erlitt sie/er mehrere Verletzungen, von denen sich keine als tödlich herausstellte. Warum sie/er starb ist unbekannt. Dabei war der Ort des Todes, in einem Flussbett, entscheidend für die gute Konservierung des Skeletts. Er/Sie wurde schnell mit Schlamm bedeckt und andere Aasfresser hatten keine Chance das Skelett zu verteilen.

 

Die Ausgrabung von Sue

1990 machten sich einige Mitglieder des Black Hill Instituts, einer privaten Firma, die sich auf die Ausgrabungen von Fossilien spezialisiert hat, auf den Weg in die Cheyenne River Indian Reservation im Westen von South Dakota, um einen Edmontosaurus auszugraben. Auf ihrem Rückweg führten eine Reifenpanne und ein Spaziergang zur glücklichen Entdeckung eines Tyrannosaurus rex. Dieser wurde nach ihrer Entdeckerin Susan „Sue“ Hendrickson benannt, einer Forscherin mit einer schillernden Biografie als Taucherin, Bernstein-Gräberin und Paläontologin. Durch seine Entdeckung und die Namensgebung wurde das Fossil zu einem Artefakt: eine Sammlung von Knochen wuchs unter den Händen der Experten zusammen zu einem einzigartigen Exemplar.

 

Der Kampf um Sue

Der Kampf um die Knochen von Sue begann unmittelbar nachdem der Fund in der wissenschaftlichen Gemeinschaft und Öffentlichkeit bekannt wurde. Der Landbesitzer Maurice Williams, ein Mitglied des örtlichen Cheyenne River Sioux-Stammes, erhielt laut Darstellung des Black Hill Instituts eine Bezahlung von 5,000 US-Dollar für das Fossil. Nachdem die Bedeutung des Fundes in der Öffentlichkeit bekannt wurde, begann allerdings eine juristische Auseinandersetzung zwischen dem Landbesitzer, der Regierung und dem Institut um den Besitz des Fossils, das einen ungleich höheren Wert besaß. Am Ende dieser Auseinandersetzung entschieden die Richter, dass das Land, auf dem das Fossil gefunden worden war, der Regierung gehörte, welche es in treuhänderischer Verwahrung für die lokalen Stämme verwaltete. Bereits vor dieser endgültigen Entscheidung hatte das FBI in einer spektakulären Aktion und mithilfe der Nationalgarde das Black Hill Institut durchsucht und das Fossil beschlagnahmt.Der Konflikt drehte sich um Fragen von Landbesitz und die Ansprüche der Sioux-Stämme und des Black Hill InstitutsSue. Ein weiterer Aspekt der Auseinandersetzung war die öffentliche Darstellung und die Frage nach den Motiven der beteiligten Parteien (Profit vs. Forschung). In den 1980er und 1990er war der Markt für Fossilien auf einem Höhepunkt angelangt.[1] In den Medien wurde immer wieder die Gefahr heraufbeschworen, dass das Fossil in einer Privatsammlung enden könnte oder dass aufgrund von unsachgemäßer - weil privater - Lagerung schwere Schäden am Skelett entstehen könnten. Bei einer genaueren Betrachtung der beteiligten Parteien muss diese Argumentation in Bezug auf Sue als übertrieben bezeichnet werden. Viele öffentliche Institutionen waren auf das Geld von Privatpersonen angewiesen und private Firmen wie das Black Hill Institut arbeiteten oft zusammen mit Universitäten oder Museen. Die Ausgrabung von Sue durch das Black Hill Institut wird heute als vorbildlich dargestellt und führte mehrere fortschrittliche Ausgrabungstechniken, wie zum Beispiel die ausführliche Dokumentation mit Video, neu ein.

 

Die Versteigerung von Sue

Am Ende der juristischen Auseinandersetzungen stand die Vereinbarung zwischen der Regierung und dem Landbesitzer Maurice Williams, das Fossil auf einer öffentlichen Auktion zu versteigern. Das Geld, welches durch die Auktion bei Sotheby‘s 1997 ersteigert wurde, ging an Maurice Williams. Aufgrund der günstigen Lage auf dem Markt für Fossilien und der Einmaligkeit des Skeletts wurde ein bis heute unerreichter Preis für ein Fossil erzielt. Ein Zusammenschluss von privaten Firmen und öffentlichen Institutionen – der unter anderem das Field Museum in Chicago, das California State University System, McDonalds und Walt Disney Parks and Resorts umfasste – ersteigerte Sue für 7.6 Millionen US-Dollar plus Auktionskosten. Das Field Museum wollte das Fossil untersuchen und in seiner Sammlung ausstellen. Weitere öffentliche Geldgeber unterstützten dieses Ziel. Dabei ist es nicht erstaunlich, dass Firmen wie McDonalds und insbesondere Walt Disney großes Interesse an dem Skelett zeigten. Mindestens seit dem Film Jurassic Park (1993) von Stephen Spielberg waren Tyrannosaurus rex einer breiten amerikanischen Öffentlichkeit bekannt und Disney plante eigene Projekte über Dinosaurier [Dinosaur (2000)]. Disneys und zu einem gewissen Maß auch McDonalds Geschäftsmodell lebt von Vorstellungskraft und die 1990er Jahre erlebten ein aufflammendes Interesse an Geschichten über Tiere und historische Thematiken [Lion King (1994), Tarzan (1999); Aladdin (1992), Pocahontas (1995), Hook (1991)]. Zudem machten neue Computertechnologien die Darstellung von ausgestorbenen Tieren immer lebendiger und preiswerter und halfen somit Geschichten auf der Filmleinwand zu erzählen, die vor einigen Jahren noch nicht darstellbar gewesen wären.

 

Die Ausstellung von Sue

Weil Vorstellungskraft und Begeisterung schlecht auf ein Bankkonto eingezahlt werden können, erwarteten Disney und McDonalds aber auch einen direkten finanziellen Ertrag von der Ersteigerung des Skeletts. Nach der Auktion wurden mehrere Repliken angefertigt, die nicht nur das Originalskelett im Field Museum in Chicago komplementieren sollten, sondern auch für eine Wanderausstellung – präsentiert von McDonalds, um die Geschichte von Sue zu den Kindern und Familien zu bringen[2] – genutzt wurden. Außerdem wurden Repliken für den Animal Kingdom Theme Park in Disneyland, Florida, hergestellt.

Abbildung 3: Dinoland in Disneyland zeigt eine Replik von Sue. Ein Labor für die Präparation der Knochen (und für die Herstellung der verschiedenen Repliken) befand sich ebenfalls in Disneyland.

Die Replik von Sue in Disneyland ist zwischen Souvenirläden, Imbissbuden, einem Picknickplatz und einem ausgewiesenen Raucherareal platziert und liegt nicht weit entfernt von einer Attraktion, in der Kinder ihren eigenen Dinosaurier ausgraben und den Nervenkitzel bei der Entdeckung der amerikanischen Vergangenheit selbst nachvollziehen können. Darüber hinaus befand sich eins von zwei Labors (das andere war im Field Museum in Chicago, welches auch die Wissenschaftler für beide Labors stellte) in denen die Originalknochen von Sue präpariert wurden in Disneyland. Durch ihre Platzierung in Disneyland wurden die Knochen in eine ganze Reihe von kolonialen Diskursen integriert (Dinoland ist umrahmt von Attraktionen wie „Treffe Pocahontas bei der ersten Landung“, „Kilimanjaro Safaris“, „Wild Africa Trek“; „Entdecke die Tiere Asiens und Afrikas“, „Erobere die Natur im Everest Erlebnis“) und helfen dadurch eine Geschichte Amerikas zu erzählen.

Zusätzlich vermehrten und verteilten sich Sues Repliken über die ganze Welt. Nach einer ersten Tour, die sich auf den nordamerikanischen Kontinent konzentrierte, bereisten zwei Repliken als Teil der Wanderausstellung „A T. rex Named Sue“ auf ihrer zweiten Tour auch Ziele in Neuseeland, Mittel- und Südamerika und Asien.

Abbildung 4: Karte der Wanderausstellung „A T. Rex Named Sue”. Gezeigt werden Ausstellungsorte der ersten Tour in Rot (2000 bis 2012) und der zweiten Tour in Blau (2012 bis heute). Die erste Tour war noch weitestgehend auf Nordamerika beschränkt, während die zweite Tour Ziele in Mittel- und Südamerika, Neuseeland und Asien miteinbezog.

Die Investition in die Knochen war zu groß, als dass eine begrenzte Ausstellung ohne die Herstellung mehrerer globaler Geschäftsmodelle (Repliken in Vergnügungsparks; Filme; Wanderausstellungen, etc.) gerechtfertigt gewesen wäre. Selbst im Field Museum, dem Ausstellungsort des Originalskeletts, wurden die Knochen getrennt ausgestellt. Der prominenteste Teil des Skeletts, der Schädel, bekam einen speziellen Platz auf einer Galerie. Die Geschichte der Knochen von Sue verdeutlicht, wie Artefakte aus der amerikanischen Urzeit die menschliche Vorstellungskraft beflügeln und dadurch selbst zu Objekten mit hohem kulturellem und wirtschaftlichem Wert werden können.

 

LITERATURNACHWEISE

[1] Peter C. Kjærgaard, “The Fossil Trade: Paying a Price for Human Origins”. Isis 103:2 (2012), S. 340-355, S. 346.

[2] www.qsrmagazine.com/news/mcdonalds-dinosaur-exhibit-tours; Zugriff am 11.03.2016.

 

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Sue_%28dinosaur%29#/media/File:Sues_skeleton.jpg; Zugriff am 11.03.2016.

Abbildung 2: Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/File:Sue_skull.jpg; Zugriff am 23.03.2017.

Abbildung 3: Quelle: commons.wikimedia.org/wiki/Category:Sue_%28dinosaur%29; Zugriff am 30.03.2016.

Abbildung 4: Quelle: www.google.com/maps/d/viewer; Zugriff am 11.03.2016.